Nagel für Nagel

18.12.2020 | Kunstinstallation gedenkt den an Covid19 Verstorbenen

Schwäbisch Gmünd | 15. November – Volkstrauertag. In Deutschland sind über 12.000 Menschen an Corona verstorben. Dekanatsjugendreferent Marios Pergialis hat mit Anthony Di Paola für jedes Einzelschicksal einen Nagel in kleine Holzblöcke geschlagen. Als Dekan Robert Kloker die Installation eine Woche später mit einer Andacht eröffnet, sind es bereits über 1.500 Verstorbene mehr. In zwei Schalen am Rand der Installation wurden sie als Nägel hinzugelegt. Heute, am 18. Dezember 2020 sind es deutschlandweit fast 25.000 Verstorbene.

 

Der Treppenaufgang vor dem Altarbereich des Heilig-Kreuz-Münsters in Schwäbisch Gmünd ist vollgestellt mit kleinen Holzblöcken, in denen bis zu 16 Zentimeter lange Nägel stecken. Das Meer aus grauen Nägeln versperrt den Besucher*innen den Weg. Sie werden quasi zwangsweise mit der großen Anzahl an Nägeln und damit an Coronatoten konfrontiert. „Zahlen sind etwas Abstraktes. Ich kann sie ablesen, aber wirklich verstehen, was sich dahinter verbirgt, das kann ich nicht“, sagt Marios Pergialis. In ihrem Werk wollen die beiden studierten Kunsttherapeuten dieser schwer fassbaren Menge eine Gestalt geben.

Der Nagel ist ein christliches Symbol für Schmerz und Leid. Jede*r Verstorbene hinterlässt eine Lücke in der Gemeinschaft. Auf diese Lücke macht das Werk aufmerksam, indem es die Einzelschicksale aus der Anonymität der Zahl herausnimmt und visualisiert. Dass dieses Nagelmeer vor dem Altarbereich steht, öffnet zudem die theologische Dimension: Als Christ*innen können wir nicht zu Gott, wenn wir den Schmerz der Welt außer Acht lassen. Wenn wir nicht akzeptieren, dass es dieses Leid gibt, dann versperrt es uns den Weg.

Es ist ein Werk das betroffen macht, aber auch eine Hoffnungsbotschaft enthält. „Fürchtet euch nicht“ steht mit Nägeln geschrieben vor den Stufen. „Furcht ist etwas, das lähmen kann und eine*n daran hindert, vorwärts zu gehen“, erklärt Pergialis. Die beiden Künstler wollen mit ihrer Installation keine Angst schüren, sondern vielmehr die aktuelle Wirklichkeit abbilden. „Wir denken, dass mit diesem klaren Blick jede*r einzelne verantwortungsvoller mit der Wirklichkeit umgehen kann, um gemeinsam einen solidarischen Weg durch diese Zeit finden.“

Die Installation wird am 20. Dezember abgebaut, um Platz für die Weihnachtsgottesdienste zu schaffen. Die Treppenstufen hätten für die neu hinzugekommenen 10.000 Verstorbenen seit Mitte November auch nicht ausgereicht. Das Meer an Nägeln hätte den Mittelgang geflutet… Ein Bild, das hoffentlich auch bei so mancher*m Corona- Skeptiker*in wirkt…  

Website von Anthony Di Paola: www.artfactory27.com   
Website von Marios Pergialis: www.mpergialis.de

 

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